Da muss Struktur rein

Quelle: 
Neue Westfälische, Gütersloher zeitung, 27.07.2013

INTERVIEW: Ben Hensdiek, Carsten Huhn und Matthias Kirchhoff wollen die Weberei

Gütersloh. Matthias Kirchhoff, Ben Hensdiek und Carsten Huhn haben in der Bewerbung um die Trägerschaft der Weberei gute Karten. Alle drei sind Geschäftsführer florierender Firmen, haben einflussreiche Persönlichkeiten an ihrer Seite und sind auf das Wohlwollen der Entscheidungsträger bedacht. Im Gegensatz zu ihren Mitbewerbern Norbert Morkes (BfG), der vielen als Totengräber des Theaters gilt und der den Grünen nahestehende Matthias Markstedt (Wapelbad), der sich noch nie einen Maulkorb anlegen ließ. NW- Mitarbeiterin Anette Isringhausen sprach mit dem Trio über ihr Weberei-Konzept. 

Wie kommen Sie dazu, sich als Geschäftsführer gut gehender Firmen, einen solchen Klotz ans Bein zu binden? Die Weberei ging zweimal in Insolvenz, hat ein schlechtes Image und gilt in Gütersloh als heißes Eisen.

MATTHIAS KIRCHHOFF: Wir beobachten die Weberei schon lange und sind zu dem Schluss gekommen, dass dort seit 30 Jahren immer das gleiche Konzept gefahren wurde. So funktioniert das nicht mehr.

Was meinen Sie mit überholtem Konzept?

KIRCHHOFF: Die Weberei hat eine Gastronomie der etwas anderen Art, die Live-Events und die soziokulturellen Angebote. Wir glauben, dass das in unserer schnelllebigen Zeit nicht mehr ausreicht.Bei den Jugendlichen dreht sich alles um Social Media. Ein soziokulturelles Zentrum muss dies aufgreifen. Das ist bisher nicht passiert. Es gibt gerade im soziokulturellen Bereich viele Dinge, die in der Weberei sehr gut funktionieren, aber man muss sich auch weiterentwickeln.

Hat die Weberei die Jugend nicht eingebunden?

CARSTEN HUHN: Man muss sagen, es gab kein Konzept.

Sie glauben also nicht, wie Matthias Markstedt, die Weberei wäre, wenn man an zwei Schrauben dreht, ein Selbstläufer?

HUHN: Nein, das reicht nicht. KIRCHHOFF: Wenn man junge Leute zwischen 25 und 28 Jahren fragt, fährt ein Großteil von ihnen nach Bielefeld, weil er der Meinung ist, es gibt hier keine Angebote. Diese Lücke muss ein soziokulturelles Zentrum füllen können.

Sie sind aber auch nicht mehr der Jüngste. Wissen Sie denn, was die Jugend erwartet?

KIRCHHOFF: Ja klar, Hauptsache, man denkt jung.

Kennen Sie die Weberei gut?

KIRCHHOFF: Ja. Wir kennen die aktuellen Strukturen, sofern man sie als solche bezeichnen kann, gut. Wir kennen jeden Mitarbeiter persönlich. Wir wissen, was läuft und was nicht.

Was denn nicht?

KIRCHHOFF: Nichts gegen die Pari Sozial – aber wer so einen Laden führt, der muss auch vor Ort sein. Ein Betreiber oder Träger muss präsent sein, muss auch mal, wenn Not am Mann ist, Bier zapfen. Ein zweiter Punkt ist die Gastronomie. Da wäre vieles zu verbessern. Wenn man, wie wir mit dem Gastronomen Kaya Dursun (El Toro, Verl, früher Geschäftsführer des Stadtpalais’ Bielefeld, Anm. d. Red.), einen Profi hat, der die Leute schult, kann man sie sehr viel effizienter betreiben. Das gilt auch für den Service. Dass man nicht mehr 45 Minuten auf sein Bier warten muss. Dass die Servicekraft nicht an drei Tischen vorbeigeht, sondern die Bestellungen aufnimmt und auf einem Weg die Tische abräumt. In der Halle und im Kesselhaus fehlt es an einem Kassensystem, was zu Verlusten führt und ein Warenlogistiksystem gibt es überhaupt nicht. Da ist viel Schwund.

Was ist mit den Mitarbeitern?

HUHN: Das hängt auch vom Ausgang des Insolvenzverfahren ab, ob es zu einer Betriebsübernahme kommt. Selbst wenn man einen Neustart macht, wäre man als Unternehmer gut beraten, Mitarbeiter, die Erfahrung gesammelt haben, mit ins Boot zu holen. Wir sind offen für jeden, der bereit ist, die Weberei zu leben, so wie wir das vorhaben.

Sehen Sie nicht dennoch ein finanzielles Risiko für sich?

KIRCHHOFF: Wir haben natürlich Respekt für so einem Unternehmen. Aber wir verfügen alle drei auch über eine Menge Erfahrungen. Wir wollen die neuen Dinge nicht im Hau-Ruck-Verfahren durchziehen, sondern peu à peu. Das heißt, dass wir nur das Geld investieren, das wir auch erwirtschaften. Das minimiert das Risiko. BEN HENSDIEK: Außerdem haben wir mit der Gütersloher WGR Audit GmBH, die zum Beispiel das Städtische Klinikum betreut und über sehr viel Erfahrung in gemeinnützigen Einrichtungen verfügt, ein professionelles finanzielles Controlling.

Wie ist die geplante gGmbH aufgebaut?

KIRCHHOFF: Wir haben zunächst einen Beirat mit Heino Nollmann, Ex-Chef der Medienfabrik, Martin Schildmacher (Vorstand Modus Consult) und den Architekten Walter Hauer. Drei Persönlichkeiten mit viel Know How aus völlig unterschiedlichen Bereichen. Die Betreibergesellschaft mit uns dreien, die auch – zunächst ehrenamtlich – die Geschäftsführer stellen. Der Bereich Marketing betreut künftig die sechs Tätigkeitsfelder der Weberei: Gastronomie, Soziokultur, Kultur, Event, die Medienakademie und das Weberei-Magazin, an dem jeder, der möchte, mitmachen kann.

Sie haben dem Marketing einen hohen Stellenwert eingeräumt. Kennt nicht jeder die Weberei?

KIRCHHOFF: Schon, aber man muss auch hingehen. Deshalb braucht die Weberei ein komplett neues, modernes Marketing, von der Webseite bis zu jeder Veranstaltung, mit Medien wie z.B. Videomarketing, Social Media. Das ist schließlich unser Bereich, das gab es bislang noch nicht in der Weberei. Nehmen wir Facebook. Es gibt ca. 90.000 Nutzer im Kreis, die kann man mit einem kurzen Clip erreichen. HENSDIEK: Wir wollen ein Marketing machen, das jeden Bürger, egal welchen Alters, egal welche Interessengruppe anspricht, das sehr breit aufgestellt ist, von den Printmedien bis zum guten Web-Auftritt.

Das hört sich so an, als ob sie die Weberei komplett umkrempeln wollen. Bleibt dann noch was von der Tradition?

KIRCHHOFF: Wieso nicht? Jeder liebt alte, denkmalgeschützte Häuser und kauft sich dennoch einen Flachbildfernseher. Neues mit Altem verbinden. Wir wollen die Weberei nicht ganz neu machen, nur neue Möglichkeiten nutzen.

Haben Sie Kontakt aufgenommen zu Cable Street, zu Crossnight, zur Kleinen Bühne?

HUHN: Ja. Die waren sehr angetan davon, dass sie überhaupt mal angesprochen werden. Natürlich wollen wir diese Formate mit ins Boot holen.

Kommen wir zur Kultur. Da ist nicht mehr viel passiert in den letzten Jahren. Was wollen Sie anders machen?

KIRCHHOFF: Wir haben den Vorteil, dass Ben und Carsten sehr viel Erfahrung haben und sehr viele Kontakte etwa zu Künstleragenturen.

Sind gute Bands nicht auch teuer?

HUHN: Das ist Verhandlungssache. Wenn man gute Kontakte hat wie wir, nicht nur deutschlandweit und einen guten Ruf als Veranstalter, dann bekommt man auch einen ganz anderen Kurs. Wir wollen auch hier ein Angebot für alle Altersklassen machen. Auch Ü-40-Gäste sollen wieder Lust haben, in eine saubere und gepflegte Veranstaltungsstätte zu kommen.

Es gab einige Veranstaltungen in der Weberei, die gefloppt sind. Gerade im Bereich Kabarett. Sind die Menschen in Gütersloh vom kulturellen Angebot gesättigt?

HUHN: Nein. Da wären wir wieder beim Marketing. Zu wenige wissen überhaupt, was in der Weberei los ist. Auch die Vereinsarbeit und das Bildungswerk werden kaum öffentlich wahrgenommen. HENSDIEK: Die Akzeptanz der Weberei ist nicht mehr da. Außerdem wurde die Kultur– insbesondere was Lesungen, Kabarett und Theater angeht – sehr zurückgefahren. Wir wollen diesen Bereich wieder nach vorne bringen, den Eventbereich, z.B. die Partys wollen wir zielgruppenorientierter aufbauen. Warum nicht mal einen Tanzabend für Ü-60-Jährige? KIRCHHOFF Nicht zu vergessen das Theater. Wir haben vor, ein „Mitmach-Theater“ für Bürger aufzubauen und auf der Weberei-Bühne regelmäßig Premieren zu bieten. So dass man wirklich von „selbstgemachter“ Bürger-Kultur sprechen kann. Es geht nicht darum, den berühmten Künstler hierher zu holen, um die Hütte vollzukriegen.

Was verbirgt sich hinter dem Stichwort „Medienakademie“?

KIRCHHOFF: Sie wird die vierte Säule. Wir haben vor, eine Art „offenen Kanal“ einzurichten. Jeder, der will, kann einen Film oder eine Doku drehen und an fünf professionellen Schnittflächen bearbeiten. Wir stellen über Gütersloh TV die Technik und über einen Videojournalisten das Know How. Im WebTV-Studios werden Interviews geführt. Darüber hinaus gibt es einen kommerziellen Bereich, in dem z.B. Konzerte mitgeschnitten werden. Aber dringlich ist die Gastronomie. Alles andere kommt danach.

Mit welchem Startkapital rechnen Sie?

HUHN: 200.000 Euro für zwei Monatsgehälter der Mitarbeiter und die ersten Maßnahmen.

Was passiert mit dem Förderverein?

HENSDIEK: Wolfgang Hein als Vorsitzender hat uns versichert, dass er in den von uns geplanten Freundeskreis übergeht. Der Freundeskreis soll mitreden, er verfügt auch über die 30.000 Euro städtischen Zuschuss für den Jugendkulturring.

Zwei Ihrer Mitbewerber rechnen, falls sie den Zuschlag bekommen, mit der Zusammenarbeit von GTownMusic oder Gtown Acoustic. Was halten Sie davon?

HENSDIEK: Nicht mit Herrn Matthias Markstedt. Er hat uns ja noch nicht einmal angesprochen.