Kandidatencheck zur Kommunalwahl am 25. Mai 2014 in Gütersloh - die Auswertung

  • 19 May 2014
  • jdroop

A. Umfrage – Steckbrief

Zahlen und Fakten

Stadt Gütersloh – Wahl des Rates

Einwohner in Stadt Gütersloh: rd. 95.000 (Stand Dez. 2012) Wahlberechtigte insgesamt: rd. 77.000 (2009) (Wahlrecht ab 16 Jahren)

Sitzverteilung nach Kommunalwahl 2009:

CDU 23, SPD 16, Grüne 6, BfGT 5, FDP 4, UWG 2, Linke 2. Im Lauf der Wahlperiode hat sich die Verteilung geringfügig verändert. Ein Ratsherr der Linken ist zur SPD gewechselt, ein FDP-Ratsherr ist unabhängiges Ratsmitglied geworden. Regierungsform: Zusammenarbeit der „Platform +“ = CDU, Grüne, UWG Zu vergebende Sitze im Rat: 44, 22 Wahlbezirke und 22 von der Reserveliste Kandidaten insgesamt: 155 Wahlbezirke insgesamt: 22 Sieben Kandidaten pro Wahlbezirk Acht Kandidaten in Wahlbezirk 060: ein Einzelbewerber Insgesamt treten sieben Parteien/Gruppierungen an:

  • CDU
  • SPD
  • Grüne
  • BfGT
  • FDP
  • UWG
  • Die Linke
  • ein unabhängiger Kandidat

Inhalt der Befragung

„Demokratie wagen!“ hat einen Fragebogen mit vier Fragen erstellt.

  1. Wie stehen Sie zur Bürgerbeteiligung in Gütersloh, was werden Sie dafür tun?
  2. Was halten Sie von Transparenz und einer offenen Informationspolitik (Open Data)?
  3. Wie wollen Sie die Bildungslandschaft in Gütersloh gestalten?
  4. Was ist Ihnen im Rahmen der Konversion in Gütersloh wichtig?

Methode

Angeschrieben wurden alle Geschäftsstellen der Parteien / Gruppierungen. Eine direkte Ansprache der Kandidaten war online nicht möglich, da e-Mailanschriften in den Kandidatenlisten der Stadtverwaltung nicht vermerkt waren. Die Daten zu den Kandidaten lagen zudem lediglich als pdf in Kopie vor. Verzeichnet waren hier jedoch die postalischen Anschriften sowie die Geburtsdaten. Auch die Homepages der Parteien und Gruppierungen hielten keine Möglichkeit der direkten Ansprache vor, hier gab es in der Regel nur standardisierte Mailaccounts. Von einer postalischen Zusendung der Fragebögen hat die Initiative Abstand genommen, weil die online-Erreichbarkeit mittlerweile kommunikativer Standard ist. Versendet wurde die Befragung am 14.4.2014 um 14:59 per mail. Die Antworten der Kandidaten wurden bis zum 24. April 2014 erbeten. Da dieser Abgabetermin noch in den Osterferien lag, erfolgte eine Verlängerung der Abgabe bis zum 9. Mai 2014.

Antworten – Zahlenüberblick

Geantwortet haben: SPD sendet eine universelle Antwort: ein Schreiben mit gleichem abgestimmten Inhalt für alle 22 Wahlbezirkskandidaten. CDU sendet eine universelle Antwort: ein Schreiben mit gleichem abgestimmten Inhalt für alle 22 Wahlbezirkskandidaten. Bündnis 90 / Die Grünen senden eine universelle Antwort: ein Schreiben mit gleichem abgestimmten Inhalt für 21 Wahlbezirkskandidaten. Von einem Kandidaten liegen eigene Antworten vor. BfGT sendet eine universelle Antwort: ein Schreiben mit gleichem abgestimmten Inhalt für alle 22 Wahlbezirkskandidaten FDP insgesamt antworten 5 von 22 Wahlbezirkskandidaten. Zwei der Antworten sind in den Fragen 2,3 sowie 4 identisch. Die Linke insgesamt antworten 4 von 22 Wahlbezirkskandidaten. Die Antworten sind unterschiedlich. UWG keiner der Kandidaten antwortet. Zu Beginn der Befragung erreichte die Initiative ein Mail des Spitzenkandidaten, der darauf hinwies, dass es ihm aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich sei, die Fragen der Initiative „Demokratie wagen!“ an die übrigen Kandidaten weiterzuleiten. Er müsse zunächst deren Einverständnis einholen. Aus gleichem Grund sei es ihm unmöglich, e-Mailanschriften etwa an uns weiterzuleiten, um die Kandidaten direkt zu befragen. Nach dieser kurzen Korrespondenz blieb Funkstille. Auch von ihm selbst und seinem Stellvertreter, denen unsere Fragen ja vorlagen, kamen keine Antworten. Unabhängiger Kandidat Die Fragen wurden ihm persönlich überreicht. Er antwortet nicht - keinerlei Rückmeldung.

Unterm Strich:

Von den 155 Kandidaten haben 62,6 Prozent geantwortet. Umgekehrt haben 37,4 Prozent nicht geantwortet. Von den insgesamt 97 Antworten haben allerdings nur 10 Kandidaten individuell geantwortet, sich also nicht an die abgestimmte Parteimeinung gehalten. Es handelt sich um 5 FDP-Kandidaten, 4 Kandidaten der Linken und einen Kandidaten der Grünen, die übrigen Kandidaten haben nicht geantwortet (s.o.). Nur 10,3 Prozent der aufgestellten Kandidaten aus den Wahlbezirken positionieren sich also mit einer eigenen Meinung. Damit überwiegt die Parteimeinung: Dieser schließen sich 89,7 Prozent der Kandidaten an.

B. Die wichtigsten Ergebnisse auf einen Blick

  1. Der Großteil der Kandidaten (89,7 %) hat sich auf eine Parteimeinung geeinigt und hat keine eigene Antwort geliefert. Die Partei/Gruppierung spricht mit einer Stimme: CDU und SPD sowie der Grünen (mit einer Ausnahme) und der BfGT einigt unisono eine gemeinsame Meinung. Die FDP und die Linke scheren hier aus, es antworten nur wenige, aber unterschiedlich. Die UWG und der unabhängige Kandidat schweigen.
  2. Im letzten Rat saßen sieben Fraktionen. Die gleiche Konstellation tritt wieder an. Offensichtlich besteht ein großer Bedarf in der Bevölkerung nach einer breiten Auswahl an politischen Programmen. Zudem ist ein Einzelkandidat noch hinzugekommen, der aber nicht von allen Wahlberechtigten gewählt werden kann.
  3. Bürgerbeteiligung finden alle Parteien wichtig und für die Demokratie notwendig. Die Ausgestaltung ist jedoch unterschiedlich. Die kleineren Parteien sind hier aussagekräftiger als die Volksparteien CDU und SPD. Auch die vorgeschlagene Methodik zur Beteiligung ist hier kreativer.
  4. Der Bürgerhaushalt sitzt wie ein Stachel im Pelz der Politik, man erinnert sich wohl ungern.
  5. Wertkonservative Methoden herrschen vor: “Wenden Sie sich an Politiker, besuchen Sie Ausschüsse”.
  6. Digitalisierung beginnt zu wirken: Parteien weisen auf ihre Homepages hin, das war vorher noch kein Thema.
  7. Parteien weisen auf das Ratsinfosystem als wichtigste Informationsquelle hin.
  8. Bei allen Versprechungen für die kommende Wahlperiode: Eine politische Bilanzierung der Vergangenheit ist schwer, weil Anträge etwa nicht nach Fraktionen und Abstimmungsverhalten gebündelt dokumentiert werden.
  9. Transparenz wird eher als Aufgabe der Verwaltung angesehen als die der Politik selbst.
  10. Fehlende Ressourcen an Geld und Personal werden als Hemmnisse für aktive Beteiligung oder Öffnung von Daten formuliert.
  11. Beteiligung an Bildungspolitik wird eher von den kleinen Gruppierungen favorisiert.
  12. Generell positionieren sich die kleinen Parteien und Gruppierungen für stärkere Bürgerbeteiligung.
  13. Insbesondere bei der Konversion in Gütersloh setzen die kleinen Parteien auf Bürgerbeteiligung.
  14. Das Methodenspektrum der Beteiligung ist bei den kleinen Parteien differenzierter und innovativer formuliert.

C. Inhaltliche Auswertung

Die Parteien haben ihre Wahlprogramme vorgelegt. Hier findet sich in der Regel ein Kompendium an Aussagen zu künftiger Kommunalpolitik. „Demokratie wagen!“ war es jedoch wichtig, die eigenen Schwerpunkte nachzufragen: Frage 1: Wie stehen Sie zur Bürgerbeteiligung in Gütersloh und was werden Sie dafür tun? Bürgerbeteiligung ist allen Befragten grundsätzlich wichtig. Angesichts der Tatsache, dass sich die Fraktionen CDU, SPD, Grüne und BfGT allerdings mit jeweils einer Stimme zu Wort melden, ist das schon wieder zu relativieren: Spricht man über „Beteiligung und Bürgermitbestimmung“ und damit über ein vielfältiges Meinungsbild in einer Kommune, ist es irritierend, dass schon allein die Parteiendemokratie in den eigenen Reihen auf Wenige fokussiert ist, die die Antworten für alle formuliert haben. Das Demokratieprojekt „Bürgerhaushalt“ der vergangenen Legislaturperiode wird direkt angesprochen: CDU, SPD, FDP und Linke thematisieren den Bürgerhaushalt – sicher mit dem Wissen, dass „Demokratie wagen!“ diesen vor der letzten Kommunalwahl gefordert hatte. Kurz vor der letzten Kommunalwahl 2009 hatte die Politik mehrheitlich zugestimmt, nach der Ratswahl einen Bürgerhaushalt einzurichten. Nach drei Durchgängen hatte die Politik diesen mit unterschiedlichen Mehrheiten jedoch wieder abgesägt. Nähere Begründungen erfolgen in den Antworten nicht mehr - lediglich die FDP erklärt den Bürgerhaushalt als zu komplex – zudem seien Vorschläge der Bürger oftmals nicht im Zuständigkeitsbereich der Stadtverwaltung gewesen. Zwei Vertreter der Linken loben den Bürgerhaushalt ausdrücklich. Nicht angesprochen wird der Bürgerhaushalt bei der BfGT. Mit dieser direktdemokratisch negativen Rückschau auf die vergangenen Legislaturperiode im Nacken scheint man in den Reihen der Kandidaten vorsichtiger zu sein, was die künftige Bürgerbeteiligung angeht. Trotzdem finden sich durch alle Meinungen hindurch grundsätzliche Bekenntnisse zur Bürgerbeteiligung, sowie eine politische Einordnung der Wichtigkeit im Rahmen der Demokratie. Die BfGT erklärt sich sogar zur „Vorreiterin für direkte Demokratie und Mitbestimmung“ in Gütersloh, die Bürgerbeteiligung sogar „praktiziere“ und nicht nur davon rede. Sie reklamiert für sich zudem den Part eines Spin-Doktors, also eines Demokratieflüsterers, der viele Bürgerinitiativen und Arbeitsgemeinschaften beraten habe, was der Öffentlichkeit aber oftmals nicht bekannt sei. Ein FDP-Vertreter erklärt explizit, die Einflussnahme über Wahlen hinaus sei notwendig. Einig sind sich fast alle Befragten, wenn es um mehr Beteiligung in Planungsprozessen geht. Besonders ist: gerade die fünf FDP-Befragten sowie die BfGT erklären, künftig mehr Bürgerentscheide und Bürgerbegehren initiieren zu wollen oder generell zu nutzen. Das ist interessant, denn das sind im Grunde Instrumente der Bürger selbst, nicht die der gewählten Politiker. Neues gibt es in Sachen Bürgerbeteiligung aber kaum:

  • Die CDU signalisiert zwar Bereitschaft, neue Instrumente auszuprobieren, bleibt aber ohne Inhalt.
  • Die SPD verweist für sich auf das partizipative Verfahren beim Aufstellen des Wahlprogramms durch Bürgerbefragung – und setzt einen direkten Link zum Wahlprogramm.
  • Die BfGT hebt hervor, sie werde weiterhin Hilfestellung für Bürgeranträge gemäß §24 Gemeindeordnung NRW leisten.
  • Ein FDP - und auch ein Linke-Vertreter regen mehr Umfragen im Vorfeld von Beschlüssen an, dies besonders im Planungsbereich.
  • Ein Linker sieht Bürgerbeteiligung eher als Regel denn als Ausnahme und spricht von notwendiger Kommunikation zwischen Verwaltung, Bürgern und Politik auf Augenhöhe.
  • Ein Vertreter der Linken erklärt Bürgerbeteiligung als Veränderung von Machtverhältnissen, was bedeute, auf Macht zu verzichten, um politische Einflussnahme anderen zu überlassen. Man brauche zudem Kenntnisse über die Machbarkeit in Gremien und müsse auf die Unabhängigkeit von mächtigen Verbänden und Sponsoren achten.
  • Die Grünen schlagen vor, Bürger in den Ausschüssen des Rates als Experten anzuhören, ebenso das Einrichten von Beiräten, die sich aus Interessenvertretungen und Experten zusammensetzen sollen.
  • Die Möglichkeiten des Jugendparlaments sollen erhöht und eine Kinderkonferenz eingerichtet werden.

Die CDU sieht neben der Bürgerbeteiligung zunächst die Bürgerpflicht: sie wünscht sich eine hohe Wahlbeteiligung. Das Portfolio zur Bürgerbeteiligung der CDU sowie eines Vertreters der FDP zeigt sich indessen eher methodenkonservativ: Bürgerbeteiligung sei gegeben bei Arbeit in Parteien, in Bürgersprechstunden, in der Arbeit von sachkundigen Bürgern, in der Ansprache von Ratsmitgliedern, dem Besuch von Ausschüssen, dem Stellen von Bürgeranträgen sowie Anfragen an den Rat. Besonders hervorzuheben ist der sehr konservative Wunsch zweier FDP-Kandidaten: Bürger sollen sich mehr an die Politik wenden und ihre Anliegen dort vorbringen. Anliegen der Bürger könnten am besten durch Politiker in die Diskussion eingebracht werden. Beteiligung schränke sich zudem dort ein, wo zu hohe Kosten entstehen. Das Messen von Nutzen und Kosten von Beteiligung sei grundsätzlich zu beachten. In Fragen der Bürgerbeteiligung sind die Lippenbekenntnisse dieser Wahlkampagne kaum zu unterscheiden von denen der letzten Wahl. Die generellen Aussagen sind nahezu identisch. Die Bilanz der direkten Demokratie der letzten Legislaturperiode ist aber eher dürftig. Oft waren es Produkte oder ein Impuls aus der Verwaltung, welche die Politik aber a) oftmals nicht aktiviert hat oder b) gestoppt hat: Der Bürgerhaushalt ist nicht mehr existent. Die Bürgerbeteiligung am Konversionsprozess ist zum Stillstand gekommen. Die Elternbefragung zur Schulgestaltung blieb punktuell und eingeschränkt, der Bildungsgipfel blieb einmalig und die Ergebnisse versanken nunmehr intransparent im Nichts. Viele der Anträge der Bürgerinitiative zu mehr Demokratie und mehr Transparenz sind zudem im Laufe der letzten fünf Jahre abgelehnt worden. Zwei ganz wichtige Punkte dabei:

  1. Das Ratsinformationssystem listet keine Anträge nach Fraktionen (wer war wie fleißig und zu welchen Themen) und listet auch nicht auf, wer wie abgestimmt hat (Pro oder Contra Bürgerbeteiligungsverfahren).
  2. Das Einsetzen eines Beauftragten für Bürgerbeteiligung hat die Politik explizit abgelehnt. Das sei qua Amtes die Bürgermeisterin selbst.

Auch die gestellten Bürgeranträge und die Abstimmungen dazu sind nicht gebündelt abrufbar. Frage 2: Was halten Sie von Transparenz und einer offenen Informationspolitik (Open Data)? Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Fragen zur Transparenz und Information: das finden durchweg zunächst einmal alle gut. Wer in der Politik würde sich auch schon heutzutage gegen Transparenz aussprechen? Es wird daher allseits das „gute Politikmodell“ betont, Transparenz bringe Akzeptanz, sei eine gute Grundlage für jedermann, um sich zu informieren; freier Zugang zu Daten sei wichtigste Grundlage, sich zu informieren und zu beteiligen. Bei SPD, CDU sowie FDP folgt bereits schnell das Argument der Kosten und des Personalaufwandes. Falls diese Ressourcen nicht vorhanden seien, sei zu sparen, also alles „im Rahmen der Möglichkeiten einer Kommune (SPD)“ anzulegen, abhängig von Geld und Personal. Auch das Personal dürfe dafür nicht abgerufen werden, weil andere Aufgaben darunter leiden würden. Dass etwa Open Data schon implizit in den Verwaltungsabläufen sowie in der Information integriert funktioniert – auf den Gedanken kommt man hier eher nicht. Die BfGT sieht die Notwendigkeit der verständlichen Aufbereitung der Daten, so dass Menschen die Inhalte auch bewerten können. Sie hatte zudem einen eigenen OpenData-Antrag in den Rat eingebracht, der jedoch mit der Mehrheit abgelehnt wurde. Die CDU verweist in diesem Zusammenhang auf das Ratsinformationssystem als gute Informationsquelle sowie auf die eigene CDU-Homepage, wo alle Anträge der Fraktion zu finden seien, auch ihr Wahlprogramm. (Übrigens eine späte Reaktion auf unser digitales Wirken und auf den digitalen gesellschaftlichen Wandel, denn vorher waren viele Internetseiten der Parteien leere Prärien ohne Inhalte zur Ratsarbeit.) Die FDP verweist in einer Antwort explizit auf die zehn Punkte der Sunlight-Foundation zu Open Data: Bezug der Daten zu demokratischen Willensbildungsprozessen, Öffentlichkeitsinteresse an Verwaltungsaufgaben, wirtschaftliche Weiterverwertungsmöglichkeiten, Innovationspotenzial, besondere Qualität der Daten im Vergleich zu Marktangeboten, Einmaligkeit der Datensätze, etwa Amtlichkeit, Lenkung der Aufmerksamkeit auf bestimmte Daten, Anstoß zur Weiterverarbeitung der Daten sowie Vermeidung von Mehraufwand durch Mehrfacherhebung durch Private. Seien diese Kriterien Grundlage, dann sei man dafür. Die Kommunalpolitik hat es nicht eilig mit Open Data: die CDU und SPD warten gerne ab, welche Erfahrungen andere Kommunen damit machen oder gemacht haben. Die SPD erklärt sogar, dann könne man das Thema „unter Umständen“ nochmal aufgreifen. Interessant ist der Eindruck, der in vielen Antworten zu finden ist: Transparenz scheint ein besonderer Aufgabenschwerpunkt für die Verwaltung zu sein. Von transparenten politischen Prozessen ist eher nicht die Rede. Politik versteht dies als ureigene Aufgabe von Verwaltung und delegiert das offensichtlich auch an sie. Die Grünen formulieren, man brauche eine Verwaltung, die sich proaktiv um die Information und Einbindung der Betroffenen bemüht, bevor Tatsachen geschaffen werden. Es gehe um die Einbindung vor Entscheidungen sowie um die transparente Dokumentation und die ernsthafte Berücksichtigung bei Entscheidung. Die Grünen favorisieren die Ausweitung von OpenGovernment sowie OpenData und schlagen ein OpenData-Portal vor. Sie fordern zudem einen barrierefreien Zugang. Die Linke führt an, dass nicht nur die Bürger von Transparenz profitieren, sondern auch die kleinen Parteien/Gruppierungen, denen Informationen oftmals vorenthalten würden. Auch hier wird auf das Ratsinformationssystem verwiesen, welches es zu verbessern gelte, weniger Klicks, weniger Suchbewegungen. Ein weiterer Aspekt der Linken ist auch neu, sie mahnen offene Politik an, weil bestimmte Parteien und die Verwaltung mit der Presse verbandelt seien und so ein Informationsfluss gezielt kanalisiert werden könne. Insbesondere den Antworten der FDP ist zu entnehmen, dass Transparenz dann endet, wenn es um den Schutz persönlicher Daten oder Vertragsdaten gehe. Auch wettbewerbsrechtliche Gründe könnten Informationen einschränken. Informationen, die nicht persönlich freigegeben wurden, seien nicht zu veröffentlichen. Sie sprechen sich für den Erlass einer Informationsfreiheitssatzung beim Zugriff privater auf die von Stadt verwalteten Daten aus, in der auch die Gebührenfragen geregelt werden sollen. „Demokratie wagen!“ hatte bereits einen solchen Antrag gestellt. In der Verwaltungsvorlage hieß es, eine Satzung brauche die Stadt nicht mehr, da es bereits das „Informationsfreiheitsgesetz NRW“ gäbe, in dem alles geregelt sei. Eine Liste mit einem Überblick über Gebühren aber sollte erstellt werden. Den Ratsleuten war dieses Gesetz nicht bekannt. Der Wunsch nach Transparenz wird von allen formuliert. Das grundsätzliche Verständnis ist vorhanden, dass Datenkenntnis eine Voraussetzung für Beteiligung und Mitbestimmung sind. Allein: die letzte Wahlperiode hat gezeigt, dass es mit Transparenz oft nicht weither ist. Die Anzahl der Tagesordnungspunkte in nicht-öffentlichen Sitzungen ist hoch. „Offene Daten“ im Sinne von mensch- und maschinenlesbaren Daten zur freien Verfügung und Verwertung gibt es überhaupt nicht. Das Konzept Open Data wird beim Modellversuch E-Government nicht mitgedacht, sondern wurde politisch fast einstimmig auf eine Zeit ab „2016“ verschoben. Interessant bleibt durchweg die Vorstellung, das sei eine Aufgabe der Verwaltung. Frage 3: Wie wollen Sie die Bildungslandschaft in Gütersloh gestalten? Die Frage war weit gestellt. Die Antworten sind es dementsprechend. Hier haben alle ihre kompletten Wahlprogramme abgelichtet, was wir nicht wiederholen wollen, aber es wurde auch ein roter Faden für die kommende Wahlperiode gelegt. Unser Interesse als „Demokratie wagen!“ gilt aber auch hier besonders den Themen Transparenz und Beteiligung. Daher erfolgt die Auslese nach diesen Stichpunkten. Die beiden Volksparteien CDU und SPD beschreiben im Grunde ihre Landesschulpolitik mehr oder weniger auch für Gütersloh. Auf Transparenz und Beteiligung findet sich in den Antworten kein Hinweis. (Beide verweisen jedoch auf ihr Wahlprogramm, bei der SPD wird hier auf den Bildungsgipfel verwiesen.) Die BfGT benennt in ihrer Antwort explizit die Abhängigkeit der kommunalen Bildungspolitik von der Landespolitik in NRW – macht aber deutlich, dass die Kommunalpolitik die Möglichkeit hat, die Rahmenbedingungen zu gestalten. Die BfGT positioniert sich auch hier mit dem Anspruch auf Beteiligung: sie will den Elternwillen politisch umsetzen. Die Strukturen müssten sich möglichst flexibel dem Wunsch der Gütersloher anpassen, die Schulform werde dann zweitrangig, Vorrang habe das individuelle Lernen. Auch die Grünen skizzieren ihre Bildungspolitik analog der Landespolitik, setzen sich aber auch für die Beteiligung von Eltern- und Schülervertretungen in städtischen Gremien ein. Der Grüne mit eigener Position möchte dies den Fachkollegen überlassen. Ein Vertreter der Linken formuliert, die Bildungslandschaft sei im Zusammenhang mit Inklusion und Elternwillen zu gestalten. Auch ein Vertreter der FDP formuliert, die Grundlage für alle Entscheidungen im Bereich der Bildungspolitik müsse der Elternwille sein. Weiter wird auch von den übrigen Vertretern formuliert, es müsse eine Trägervielfalt im Kita-Bereich geben, in dem die Eltern eine freie Entscheidung hätten. Ebenso gefordert wird die Wahlfreiheit der Eltern bei der Grundschule, so positionieren sich die Befragten gegen die Wiedereinführung von Schulbezirksgrenzen. Die Bandbreite der möglichen Gestaltung der Bildungslandschaft ist enorm. Bisher jedoch fehlte hier grundsätzlich die Transparenz. Der Schulentwicklungsplan liegt noch nicht vor, Bildungsdaten gibt es wenige und nur auf insistierende Nachfrage, oft werden die Anmeldezahlen lediglich als Tischvorlagen der Politik in den Ausschüssen vorgelegt. Elternbefragungen sind bisher begrenzt durchgeführt worden, es fehlt etwa eine Befragung zum Fortgang der Schullandschaft im Norden der Stadt. Zudem hat es zwar einen Bildungsgipfel in der Stadt gegeben, der aber folgenlos sowie ohne Nachfolge geblieben ist. Beteiligungsverfahren und Transparenz sind im Bildungsbereich bisher Mangelware. Dieses Manko ergibt sich jedoch nicht nur im Verwaltungshandeln, sondern vor allem auch in den politischen Prozessen. Insbesondere die Entscheidungen über die Schulschließungen sind im Prozess eher intransparent. Frage 4: Was ist Ihnen im Rahmen der Konversion in Gütersloh wichtig? Als Initiative, die digital unterwegs ist, liegt unser besonderes Augenmerk nicht nur auf Transparenz und Bürgerbeteiligung in Fragen des Konversionsprozesses, sondern auch auf einer möglichst flächendeckenden, freien und ausreichenden Versorgung mit Internetzugängen. Was den infrastrukturellen Ausbau mit Breitband angeht, so wurde dieses Thema an keiner Stelle in den Antworten auch nur erwähnt. Es gibt kein kommunalpolitisches Bewusstsein für die kommunale Aufgabe eines open access als transparenten und diskriminierungsfreien Zugang zur passiven und aktiven Infrastruktur. Die SPD und CDU sehen die Konversion als eine große Herausforderung an. Die SPD spricht an keiner Stelle von Bürgerbeteiligung. Die CDU sieht das sogar als die größte und wichtigste Aufgabe der Stadt und der Region an. Von Bürgerbeteiligung spricht sie nicht, wohl aber von einer Zusammenarbeit mit den Nachbarkommunen. Die BfGT will in dem Prozess unterschiedliche Bürgerinteressen zum Ausgleich bringen, Bürgerinteressen dürften dabei den kommerziellen Interessen nicht unterliegen. Die Grünen möchten den Prozess möglichst transparent halten und fordern einen kontinuierlichen Informationsfluss zwischen Verwaltung, Bürgern und Politik. Aus diesem Grund schlagen sie die Einrichtung eines „Entwicklungsbeirates“ vor, durch den viele Beteiligte in den Prozess eingebunden werden. Ein Kandidat mit eigener Meinung spricht davon, dass das Wissen der Bürger über vergangene Tage, insbesondere zu Altlasten, einzubringen sei. Wer sich “einlullen ließe” was den Informationsfluss über Altlasten angehe, handele verantwortungslos gegenüber allen Beteiligten - vor allem gegenüber künftigen Generationen. Zwei Vertreter der Linken setzen sich dafür ein, den Prozess der Konversion mit Beteiligung möglichst vieler Menschen zu gestalten – ohne Bürgerbeteiligung laufe nichts. Vier der fünf Vertreter der FDP erklären, diese Aufgabe sei nur gemeinsam zu bewältigen und setzen auf Bürgerbeteiligung. Einmal ist von einem Bündnis mit den interessierten Kommunen sowie von einem Bündnis mit den Bürgern die Rede. Die Stadt Gütersloh brauche die Ideen sowie den Rückhalt der Bevölkerung, daher seien die Bürger in den Prozess auch weiterhin einzubeziehen, so eine weitere Meinung. Es wird auf die bereits praktizierten Workshops dazu hingewiesen. Es bedürfe einer gemeinschaftlichen Aufarbeitung und müsse der Bürgerschaft zur Diskussion präsentiert werden. Ein fünfter Vertreter der FDP erklärt, die Entwicklung sei gemeinsam mit den Nachbarkommunen im Dialog zu betreiben sowie mit allen interessierten Kommunen auf Augenhöhe zu entwickeln. Von Bürgern ist da nicht die Rede.

Ausblick:

Die Antworten der Parteien drücken unterschiedliche Grade der Beschäftigung mit unseren Fragen aus: der Großteil hat es sich sehr einfach gemacht! Lediglich zehn Kandidaten haben eigenständig geantwortet, teilweise zwar auch deckungsgleich, aber mit eigenen Passagen. Fast 90 % der Befragten jedoch haben sich der allgemeinen Parteimeinung angeschlossen. Die Aufgabe der Beantwortung wurde offensichtlich auf die Geschäftsstellen der Parteien/Gruppierungen delegiert. Wahrscheinlich hat sie jeweils nur ein einziger Politiker geschrieben. Im besten Fall wurden die Antworten noch in den Reihen der Kandidaten diskutiert. Das aber lässt sich durch uns nicht nachvollziehen. Damit treten die einzelnen Wahlbezirkskandidaten deutlich in ihrer Bedeutung zurück. Was zählt ist die Partei, nicht der Kandidat. In Zeiten der sinkenden Parteienbindung und einer sinkenden Wahlbeteiligung sind das Ergebnisse, die nachdenklich stimmen müssen. Nun gilt die Wahl als die Grundlage aller Partizipation, als höchstes demokratisches Gut eines jeden, seine Stimme zu vergeben. In NRW hat jeder Wähler nur eine Stimme. Der Bewerber mit den meisten Stimmen in einem Wahlbezirk gewinnt diesen auch und zieht direkt in den Rat ein. Die Stimmen aller Wahlbezirke gemeinsam werden dann für die Parteienlisten ausgezählt. Diese Listen wurden jedoch jeweils nur von wenigen Parteimitgliedern aufgestellt und gewählt, was die Beteiligung der Wähler schon vor der Wahl einschränkt. Der Rat hat eigentlich 44 Sitze, durch den Wahlmodus werden es aber wieder mehr werden. Aktuell sind 58 Ratsleute im Rat. Durch die Listenaufstellung und die Platzierung der einzelnen Kandidaten dort wird zudem schon ziemlich vorentschieden, welcher Kandidat in den Rat einzieht und wer nicht. Die Listen der Parteien ergeben in Gütersloh also 155 Wahlbezirkskandidaten. Der Bevölkerung wird durch die hohe Anzahl an Kandidaten suggeriert, dass man als Wähler eine große Auswahl hätte. Tatsächlich hat jeder Gütersloher aber nur die Wahl zwischen 7, bzw. 8 Kandidaten. Schon vor dem Hintergrund dieser realen Verknappung an Wahlmöglichkeiten wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Kandidaten ihre Chance auf Antworten persönlich wahrgenommen hätten. Die Öffentlichkeit wünscht sich Verantwortung und Authentizität. Die Frage bleibt daher: Was bringen personalisierte Plakate und persönliches Händeschütteln am Infostand in der Stadt, wenn die eigene Persönlichkeit und das Können hinter der Parteimeinung zurückbleiben? Die Änderung des Wahlrechtes wäre eine Möglichkeit, diese Entscheidung wieder an die Wähler zurückzubringen. Mit Kumulieren und Panaschieren hätte jeder Bürger so viele Stimmen zu verteilen oder zu häufeln, wie es Mandate gibt. Diese Chance ist allerdings den Menschen in NRW nicht gegeben. Eine Änderung des Wahlrechtes in diese Richtung ist zu diskutieren. Für die Wähler in Gütersloh bleibt jetzt also nur: die Parteien und Gruppierungen noch deutlicher zur echten Beteiligung aufzurufen – und ihre Wahlversprechen einzulösen.