Bürgerrat von Stadt & LOSLAND: Gern mit “Wissen teilen” starten
Die Stadt Gütersloh wird in ihrem Vorhaben, einen Bürgerrat durchzuführen, durch LOSLAND begleitet. LOSLAND ist ein von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördertes Projekt. Gütersloh ist eine von zehn Kommunen in ganz Deutschland, die modellhaft begleitet werden. Ziel ist es, vor Ort eine enkeltaugliche Zukunft zu gestalten.
Wir als Initiative “Demokratie wagen” hatten im Februar 2020 mit einem Bürgerantrag den Startschuss gegeben. Es hat fast 1,5 Jahre gedauert, bis der Vorschlag zur Abstimmung kam und im politischen Gremium mehrheitlich positiv entschieden wurde (siehe vorausgehende Blogbeiträge).
Als teilnehmende Stadt am LOSLAND-Projekt brachte Gütersloh also das Thema Enkeltauglichkeit im Gepäck mit. Dieses “große Themenfeld” hat Gütersloh für sich in Abstimmung mit der lokalen Steuerungsgruppe in das konkretere Thema „Teilen“ übersetzt.
Abgesehen davon, dass bisher überhaupt nicht bekannt ist, wer genau zur Steuerungsgruppe vor Ort gehört, fehlt auch der Hinweis, welche Alternativen für eine Fragestellung denn zur Abstimmung standen.
Im Raum steht daher also relativ kommentarlos die folgende Leitfrage:
„Enkeltaugliches Gütersloh: Wie und was können wir in Gütersloh teilen,
um zusammen nachhaltiger zu leben?“
Nun soll diese Frage zunächst in den gelosten Bürgerrat eingespeist werden und als zu bearbeitendes Motto gelten. Später ist dann offenbar vorgesehen (laut Website von LOLSLAND https://mitmachen-losland.org/guetersloh), dass auch die übrige Stadtgesellschaft im Rahmen eines Zukunftsforums analog und digital die Möglichkeit erhält, sich einzubringen, zu diskutieren und zu kommentieren. Wie das gelingen soll, ist nicht näher definiert.
Wir als Initiative würden es analog des Mottos “Teilen” begrüßen, zunächst einmal mit dem “Teilen von Wissen” zu beginnen:
Bisher ist kaum etwas bekannt über den aktuellen Stand des Projektes: Wurden die möglichen Teilnehmer schon angeschrieben? Wenn ja, nach welchen Kriterien hat man die ausgewählt? Wie groß ist denn die Rücklaufquote? Hakt es da - oder wird LOSLAND auch ein aufsuchendes Beteiligungsgespräch führen mit denen, die vielleicht zögern oder gar ganz ablehnen, weil sie nicht genau wissen, wie sie diese Einladung einschätzen sollen. Was sagen die Gefragten überhaupt zu dem Vorhaben?
Schön wäre es auch, wenn sich das Steuerungsteam in Gütersloh einmal vorstellen würde. So bekäme die Öffentlichkeit ein Bild, wer den Bürgerrat in seinem Ablauf denn eigentlich mitgestaltet. Angesichts einer breiten Befürwortung im Rat wäre das doch auch eine Geste der Bestätigung seitens der Fraktionen, dass ein solches Format der Beteiligung in den Reihen der Politik wohlwollend begleitet wird. Schließlich formuliert LOSLAND doch folgendes Ziel auf der Website:
“Der Bürgerrat ist für die Stadt Gütersloh ein neues Projekt. Damit soll ausprobiert werden, ob dieses Beteiligungsformat dazu beitragen kann, den Dialog in der Stadtgesellschaft zu unterstützen.”
Außerdem werden abschließend die Aspekte, die der Bürgerrat zu der Leitfrage erarbeitet hat und die durch Perspektiven aus der übrigen Stadtbevölkerung angereichert werden können, in einer Empfehlung an den Rat gegeben. Am Ende ist es dann der Rat mit seinen Mitgliedern, der entscheidet, wie (und ob) die Empfehlungen umsetzbar sind. Damit ist nochmal belegt, dass der Bürgerrat kein Nebenparlament ist.
Aber konkreter wird es auch nicht, daher bleiben Fragen:
- In welchem Ausschuss wird das beraten?
- Wird es in den Fachausschüssen verteilt diskutiert - oder nur im Hauptausschuss im Paket?
- Bis wann muss entschieden werden - und wie genau sieht eine Rückmeldung aus der Politik denn aus?
- Nach welchen Kriterien wird anschließend von wem entschieden, ob dieser erste Bürgerrat für Gütersloh ein Erfolg oder Misserfolg war?
Es wäre daher sehr zu begrüßen, wenn die Öffentlichkeit nach dem nun Monate zurückliegenden “Startschuss”, nämlich der Ausrufung zum Bürgerrat, nun auch die Zwischenschritte und das weitere Werden mitverfolgen kann. Nur so wird das Projekt überhaupt in der Stadtgesellschaft als ernsthaftes und langfristiges Beteiligungsformat verankert - und bekannt. Allein daraus entsteht am Ende Vertrauen aller in ein solches Format. Andernfalls könnte dem Bürgerrat das gleiche LOS drohen wie vielen anderen Beteiligungsformen zuvor bereits auch: Sie werden gleich nach dem ersten Verfahren wieder beerdigt.
Das wäre schade. Und sogar tragisch für die politische Beteiligungskultur vor Ort.