Ein Haushalt kann spannend sein – und lockt trotzdem keine Bürger an

  • 6 February 2014
  • jdroop

Es scheint keinen Bürger hinter dem Ofen hervorzulocken, wenn der Gütersloher Haushalt vorgestellt wird.

Die Veranstaltung „Fragen und Antworten zum Haushaltsentwurf 2014“ mit dem Leiter der Kämmerei Norbert Monscheidt am 29. Januar 2014 in der Weberei hat genau einen (!) Bürger angesprochen und vier Aktive. Das lenkte den Blick für kurze Zeit dann doch zuerst auf die Frage: Was macht man falsch? Ist der Haushalt, also städtisches Geld, welches von uns allen aufgebracht wird, wirklich so uninteressant? Oder darf man den Haushalt nicht in Gänze vorstellen, sondern nur Teilbereiche daraus, in denen sich möglichst viele Bürger wiederfinden? Oder muss man solche Kernfragen doch wieder online einstellen, wo die Nutzer von zuhause aus die Möglichkeit haben, sich in Ruhe und in eigenem Tempo damit zu beschäftigen.

Eine abschließende Antwort kann es hier nicht geben. Es stimmt jedoch nachdenklich – auch und vor allem uns als Initiative, die sich in dem Punkt offensichtlich nicht von den Problemen etablierter Parteien unterscheidet.

Haushaltsfragen sind zentral für die Kommunalpolitik

Trotz der knapp bemessenen Zuhörerschaft stand Norbert Monscheidt Rede und Antwort. Er zeigte die Architektur des Gütersloher Haushaltes auf. Verwies auf die knapp 30 Seiten Vorbericht, die in Summe bereits die wichtigsten Ergebnisse zusammenfassten. „Darin finden sich der laufende Haushalt und die Zukunft der Stadt“, meint er.

Der Einblick und die Diskussion waren profund hergeleitet. Daher sollen hier nur Einblicke in Diskussionsansätze wiedergegeben werden, die Haushaltsdaten finden sich auf der Homepage der Stadt Gütersloh.

 

Die Ziele für den Haushalt sind festgelegt:

  • Ziel 1: Strukturell ausgeglichener Haushalt
  • Ziel 2: Vermeidung von Kassenkrediten
  • Ziel 3: Erwirtschaftung der ordentlichen Tilgung
  • Ziel 4: Vermeidung einer Netto-Neuverschuldung

Wir lernen an dem Abend, dass es unterschiedliche Definitionen gibt, was ein „strukturell ausgeglichener Haushalt“ eigentlich ist. Von einer „Schwarzen Null“ ist das definitorisch und real weit entfernt und deutlich komplizierter. Das doppische Haushalts- und Rechnungswesen ist ein bewusster und gewollter Wechsel von der Darstellung des Geldverbrauchs hin zur Darstellung des Ressourcenverbrauchs. Nicht der Geldverbrauch im Haushalt sollte ausgeglichen sein, sondern der Ressourcenverbrauch. Es sollte dargestellt werden, wenn die heutige Generation über ihre Verhältnisse lebt und Lasten in die Zukunft verschiebt, indem sie sich einen höheren Ressourcenverbrauch leistet als es das Ressourcenaufkommen zulässt, so heißt es in der Theorie.

Wir lernen auch, dass in Kommunen, in denen die Verschuldung so hoch ist, dass nicht einmal mehr eine Haushaltssicherung möglich ist, ganz neue Maßstäbe in NRW gesetzt werden. Norbert Monscheidt verweist auf die Stadt Nideggen in NRW. Dort schaffte ein vom Land entsandter Sparkommissar erstmals Fakten: In einer öffentlichen Sitzung beschloss er den Sanierungsplan für die Stadt Nideggen. Allein mit seiner Stimme. Bürger reagierten empört. Die von Überschuldung bedrohte Stadt sollte mit jährlichen Hilfszahlungen aus dem Stärkungspakt des Landes ihren Haushalt sanieren. Die im Gegenzug geforderten Sparauflagen hatte sie nicht erfüllt. Das erledigte dann der Sparkommissar.

Von dieser Situation sei man in Gütersloh aber entfernt. Immerhin habe die Stadt in den letzten zwei Jahren 9 Millionen Euro Schulden abgebaut. Wer darüber entscheide, ob das Geld eigentlich in die Rücklage oder in den Schuldenabbau fließe, antwortete Monscheidt, dass dies auch von der Art der Darlehn abhängig, ähnlich wie in der Baufinanzierung von Privatleuten seien Darlehn mit Zinsbindungen versehen. Da komme es darauf an, wann Zahlungen geleistet werden könnten. Das hänge von den Banken und den Verträgen ab. Der Schuldenstand der Stadt Gütersloh liegt zurzeit bei rund 100 Millionen Euro.

Die Frage, ob sich die Stadt Gütersloh auch in den neuen Trend einreihe, dass nach nicht öffentlichen Finanzquellen gesucht werde, also nach anderen Geldgebern als Banken, verneinte Herr Monscheidt.

Beim Thema Verschuldung wird das Thema Stärkungspakt gestreift. Monscheidt berichtet, dass davon betroffene Städte bis zum Jahr 2020 vorausschauen müssen, nicht wie im Gütersloher Haushalt, in dem nur bis zum Jahr 2017 vorausberechnet wird.

Besonderes Augenmerk lag auf den Beteiligungsberichten, die gesondert zu betrachten sind. Hier wurde vermutet, dass ein Teil der Schulden hierhin ausgelagert wurde. Die Verschuldung der Stadt liege aber zu 100 Prozent im Kernhaushalt. Die neuen Zensuszahlen würden Gütersloh nicht belasten, dies etwa bei der Berechnung der Schlüsselzuweisungen. Die Berechnungsgrundlage des Zensus hatte sich geändert, daher auch die Bevölkerungszahl der Kommunen, was wiederum Auswirkungen auf die Schlüsselzuweisungen des Landes hat.

Thema waren auch die steigenden Transferleistungen sowie die Kreisumlage. Ein aktuelles Thema werde hier die Inklusion sein und deren Auswirkungen auf die damit verbundenen Leistungen. Eine abschließende Antwort oder Prognose der Kostenentwicklung könne noch nicht gegeben werden.

Spannend war auch das Thema der Pensionsrückstellungen, die zwar gelistet sind, aber nur als Buchwerte vermerkt sind. Eine künftig extrem hohe Belastung für die Stadt – wofür sie noch keine Rücklagen gebildet hat. Monscheidt verwies auf das Strategiepapier der Verwaltung von Anfang 2013 für den Finanzausschuss, in welchem die Verwaltung diese Problematik bereits vertieft habe.

Dann wurde das Prinzip der „Gelben Seiten“ erläutert – die Investitionen. Das Heidewaldstadion sei drin. Eine Rücklage für den möglichen Kauf des Flughafengeländes von der BimA sei nicht drin, weil kein Thema für den städtischen Haushalt. Es gäbe Möglichkeiten das zu diskutieren: entweder die Stadt kauft das Gelände, dann muss Geld fließen, oder die Stadt vereinbart, dass Dritte gleich eingeschaltet werden, sprich die Stadt agiert als Makler.

Am Ende stellt sich noch die Frage, wie man eigentlich die Kosten und Posten für die Weberei im Städt. Haushalt identifizieren kann. Dazu brauche es schon ein wenig Fachwissen, denn man müsse wissen, wo man suchen muss, also in welchem Fachbereich die Kosten gebucht sind. Gefragt, wo denn die Mieten stehen, verweist der Haushalt auf einen Summenposten, in dem man die genaue Miete nicht ausgewiesen sehen kann, sondern eben einen Summenposten, in dem addiert wird. Zur differenzierten Betrachtung und Analyse bräuchte man mehr Angaben, als vorhanden. Oder man könne auch die Verwaltung direkt fragen.

Es ist also nicht ganz so einfach einen Haushalt zu lesen. Es ist aber dennoch spannend, sich mit dem Haushalt zu beschäftigen. Zumindest diese Runde war deutlich dazu angetan, nun noch besser mit dem Zahlenmaterial vertraut zu werden. Das war eine Fortbildung für Bürger.

Vielen Dank an Herrn Monscheidt daher aus der Runde der Initiative.

Dr. Anke Knopp