Bürgerrat übergibt Vorschläge an Schäuble

  • 18 November 2019
  • jdroop

Der Bürgerrat Demokratie hat am 15. November 2019, dem Tag der Demokratie, sein Bürgergutachten mit 22 konkreten Vorschlägen zur Stärkung der Demokratie an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble überreicht. Im Vorfeld der Übergabe fand unter dem Motto “Democracy for Future” vor dem Reichstag eine Kunstaktion mit dem US-amerikanischen Künstler John Quigley statt. Das Bürgergutachten wurde von 160 aus deutschen Einwohnermelderegistern gelosten Menschen auf Grundlage von Vorträgen und Diskussionen mit Experten erarbeitet.

Detlef Fiedrich war vor Ort. Hier sind seine Eindrücke.

Vor der Übergabe der Ergebnisse der Bürgerräte aus Leipzig, von Mehr Demokratie e.V. initiiert, fand eine große Demokratie-Kunstaktion unter dem Motto “Democracy for Future” statt, an der ich auch teilnahm (siehe Fotos, u.a. mit John Quigley (USA) und Luisa Neubauer (Fridays for Future)).

Das vom international bekannten Künstler John Quigley geschaffene Demokratiesymbol bedeckte drei Viertel der Reichstagswiese und bestand aus Hunderten von Menschen und goldglänzendem Stoff.

Anschließend fand die Übergabe der Ergebnisse bzw. Empfehlungen des Bürgerrats Demokratie an Bundestagspräsident Schäuble statt.

Das Bürgergutachten wurde von 160 aus den Einwohnermelderegistern gelosten Menschen erarbeitet, die an zwei Wochenenden in Leipzig zusammengekommen waren. Grundlage waren Vorträge und Diskussionen mit Experten. Wissenschaftler und zivilgesellschaftliche Organisationen unterstützten diese Reformvorschläge.

Herr Schöpflin von der SchöpflinStiftung meinte, dass das Modell funktioniert habe. Es wurde in Leipzig zugehört, nachgedacht und intensiv diskutiert. Bürgerräte seien schon längst in anderen Ländern institutionalisiert: Niederlande, England, Irland, Belgien... Durch Bürgerräte könne die Kluft zwischen BürgerInnen und Politik deutlich verringert werden.

Fünf Repräsentanten des Bürgerrats aus Leipzig stellten die Empfehlungen vor. Die Basisarbeit sei geleistet worden - nun sei die Politik am Ball. Sie stellten aber auch dar, dass vor Volksentscheiden Bürgerräte diese begleiten sollten. Dabei wurde auch klar gesagt, dass - nach Schweizer Vorbild - Entscheide rückgängig gemacht werden könnten. Es müsse auch eine unabhängige Stabsstelle für Bürgerbeteiligung errichtet werden. Auch Transparenz sei wichtig und daher ein Lobbyregister erforderlich. Eine Evaluation der Ergebnisse solle in einem Jahr stattfinden.

"Weil wachsende Komplexität im schnellen gesellschaftlichen Wandel die repräsentative Demokratie wichtiger macht, sollte Politik dafür sorgen, dass sie wieder für mehr BürgerInnen interessant wird", so Schäuble in seinem Grußwort.
(PR- Foto vom FR: Übergabe der Empfehlungen von Vertretern der Wochenenden in Leipzig an Bundestagspräsident Schäuble und an Bürgerratsvorsitzenden G. Beckstein)

„Die Demokratie ist unter Druck und die Politik zögert mit Lösungsansätzen. Deshalb haben wir die Bürgerinnen und Bürger selbst konkrete Vorschläge erarbeiten lassen. Jetzt ist die Politik nun am Zug, diese Vorschläge aufzugreifen und umzusetzen. Der Bürgerrat liefert hier gute Voraussetzungen und Motivation“, so Claudine Nierth von Mehr Demokratie e.V. an diesem Freitag.

In der anschließenden Diskussion mit Vertreterinnen und Vertretern aller Bundestagsfraktionen meinten einige Abgeordnete (S. Thomae, FDP und T. Frei, CDU/CSU), dass eine Grundgesetzänderung erforderlich sei, um Bürgerräte zu implementieren. Dies verneinte der Vertreter der Linken, Straetmanns. Er meinte, dass nur ein einfaches Gesetz hier nötig sei. Fast alle Vertreter begrüßten jedoch die 22 erarbeiteten Vorschläge. Eine Expertenkommission im Bundestag wird kommen, so T. Frei (CDU/CSU). Die Fraktionen werden entscheiden und es käme zur Abstimmung. A. Christmann von den Grünen meinte, dass Bürgerräte sich gerade auch zum Klima, zu Verkehren, zu sozialen Themen u.a. äußern könnten und sollten. Die Expertise der BürgerInnen sei wichtig. Die Demokratie würde gestärkt und es wäre eine Bereicherung des Demokratismus.

Ärgerlich meiner Meinung nach war, dass sich der AFD-Vertreter Dr. R. Hartwig, der auch bei der Regionalkonferenz in Gütersloh anwesend war, 'zahm' benahm und auch Beifall erhielt für seine Bemerkung, seine Partei sei schon lange für Bürgerentscheide. Dazu hatte sich Mehr Demokratie e.V. bereits kritisch geäußert.

Hier die fünf wichtigsten (von insgesamt 22) Empfehlungen des Bürgerrats zur Frage der Ergänzung der repräsentativen Demokratie:

  • Unsere bewährte repräsentative Demokratie soll durch eine Kombination von Bürgerbeteiligung und Volksentscheiden auf Bundesebene ergänzt werden.
  • Es soll per Los berufene Bürgerräte auf Bundesebene geben.
  • Es soll bundesweite Volksentscheide geben.
  • Es soll eine unabhängige Stabsstelle für Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie eingerichtet werden.
  • Es soll ein Lobby-Register auf Bundesebene geschaffen werden.


Wichtig meiner Meinung nach ist aber auch, diese 22 Empfehlungen auf örtliche Ebene runterzubrechen, um sie dann auch hier vor Ort nutzbar zu machen.

Bericht in der Tagesschau an 15.11.2019: