Antrag nach § 24 GO NRW für den Kreisausschuss des Kreises Gütersloh am 22.09.2014

  • 15 September 2014
  • jdroop

Sehr geehrter Herr Landrat Adenauer,

die Initiative ‚Demokratie wagen!‘ bittet darum, dass sich der Kreis Gütersloh über die Folgen und Auswirkungen der TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) und CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement mit Kanada) Abkommen informiert und sich gegen mögliche entstehende Einschränkungen hieraus für den Kreis an übergeordneter Stelle deutlich positioniert. Zudem wäre es wünschenswert, wenn sich der Kreis möglichen kommunalen Initiativen anschließt, die diese Abkommen kritisch begleiten.

Der Kreistag Gütersloh möge folgende Resolution verabschieden:

Der Kreistag Gütersloh unterstützt ausdrücklich die Forderungen des Präsidenten des Deutschen Landkreistages vom 8. Juli 2014. Präsident Landrat Reinhard Sager sprach sich für einen transparenten und offenen Diskurs über das Ausmaß von Liberalisierungsverpflichtungen aus. „Es ist unbedingt notwendig, angesichts der direkten Betroffenheit die Landkreise, Städte und Gemeinden regelmäßig über den aktuellen Verhandlungsstand zu informieren und eine kommunale Einbindung sicherzustellen. Das können und dürfen wir erwarten, wenn es um derart gewichtige Verhandlungen geht!" Es sei insbesondere darauf acht zu geben, dass bei dem Abkommen die kommunale Daseinsvorsorge unbehelligt bleibt und bereits erreichte europarechtliche Ausnahmen bei Ausschreibungen etwa im Bereich des Rettungsdienstes oder der Wasserversorgung Bestand haben.

Begründung:

Besonders durch das TTIP-Abkommen steht die verfassungsrechtlich verankerte kommunale Selbstverwaltung auf dem Spiel. Bundesländer und Gebietskörperschaften könnten durch TTIP künftig massiv in ihrer politischen Entscheidungsfähigkeit eingeschränkt sein.

Der Kreis Gütersloh hat u.a. eine Sparkasse, eine Abfallentsorgung und vergibt öffentliche Aufträge und ist daher, wie alle bundesdeutschen Landkreise betroffen. Aus diesem Anlass sollte der Kreis Gütersloh jetzt aktiv werden, wenn es um die weiteren Verhandlungen über TTIP geht. Weitreichende Konsequenzen für die autonome Handlungsfähigkeit zeichnen sich ab. Der Kreis Gütersloh muss sich hier deutlich positionieren, zumindest öffentlich dazu diskutieren, so dass die Öffentlichkeit mögliche Risiken und Folgen daraus erkennen kann. Diesen Risiken muss sich der Kreis entgegenstellen.

Der Deutsche Städtetag schreibt:
"Die Erbringung zahlreicher Aufgaben der Daseinsvorsorge durch kommunale und öffentliche Einrichtungen hat in unserer Gesellschaft eine lange Tradition und hat sich bewährt. Die Bürgerinnen und Bürger vertrauen darauf, dass die Steuerung und Kontrolle der Leistungen der Daseinsvorsorge durch demokratisch legitimierte kommunale Vertretungskörperschaften erfolgt. Damit stellt die kommunale Daseinsvorsorge ein wichtiges Element eines bürgernahen Europas dar, dem die EU und die Mitgliedstaaten gleichfalls verpflichtet sind."

In Anlehnung an eine Untersuchung des Wirtschaftsjournalisten Thomas Fritz, die kürzlich im Auftrag von Campact erstellt wurde, könnten folgende Auswirkungen erheblichen Schaden für die Gebietskörperschaften nach sich ziehen:

  1. Der bisherige Prozess der Verhandlungen zum Freihandelsabkommen EU-USA ist in höchstem Maße intransparent und vernachlässigt erheblich die Rechte der gewählten Parlamentarier auf europäischer, nationaler und Länderebene sowie die der Landkreise und Kommunen.
  2. Entscheidungen von Gebietskörperschaften, die Geschäftsinteressen transatlantisch tätiger Investoren beeinträchtigen, könnten vermehrt zu Entschädigungsklagen vor internationalen Tribunalen führen.
  3. Regelungen zu Dienstleistungen etc. berühren die kommunalen Hoheitsrechte, wie die Organisationsfreiheit der Gebietskörperschaften. Siehe hier besonders die Marktzugangs-, Nichtdiskriminierungs- und Investitionsregeln. Maßnahmen etwa zur Beschränkung von Gewerbeansiedlungen, zum Schutz vor Verdrängungskonkurrenz, zum Erhalt von Sparkassen oder zum Mieterschutz könnten als TTIP-Verstöße unter Druck geraten.
  4. Da es keine grundsätzliche Ausnahme der öffentlichen Daseinsvorsorge von TTIP geben soll, ist eine weitere Privatisierung kommunaler Leistungen zu befürchten.
  5. Folgt TTIP dem Muster des Handelsabkommens mit Kanada (CETA) wären möglicherweise Ausgleichszahlungen für öffentliche Aufgaben angreifbar. Etwa im Gesundheitswesen, hier klagen bereits große Klinikketten gegen solche Ausgleichszahlungen.
  6. Durch die Fixierung von Schwellenwerten, ab denen transatlantisch ausgeschrieben werden muss, würde die öffentliche Hand Spielräume für eine autonome Einkaufspolitik verlieren. Aufgrund einer mangelnden Verankerung von Sozialstandards, wie es in CETA bereits der Fall ist, würden gerade soziale Vergabekriterien, wie z. B. die Einhaltung von Tarifverträgen, angreifbar.
  7. Datenschutz und Arbeitnehmerschutz wären zukünftig nicht mehr gesichert.

Diese skizzierten Folgen lassen erkennen, wie wichtig es ist, dass sich auch der Kreis Gütersloh mit dem Thema TTIP und CETA befasst.

Sollten Kreistag und Verwaltung zu der Auffassung gelangen, dass ihre Einflussmöglichkeiten auch gering sind, gilt es dennoch, den Kreis und die Bevölkerung für diese Folgen frühzeitig zu sensibilisieren. Diese Abkommen werden künftig deutlich bis in den Kreis Gütersloh hineinwirken. Ein Beispiel für eine öffentliche kommunale Diskussion gibt der OB von Tübingen, Boris Palmer (Grüne).

Link zur Pressemitteilung des deutschen Landkreistages vom 8. Juli 2014:
http://www.landkreistag.de/presseforum/pressemitteilungen/1423-pressemit...

TTIP vor Ort - Folgen der transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft für Bundesländer und Kommunen
http://blog.campact.de/2014/09/exklusiv-studie-zeigt-ttip-abkommen-mit-u...

Korrektur:

Der Antrag erfolgt entsprechend § 21 der Kreisordnung NRW.